Prozessbericht Tag 3

Am dritten Verhandlungstag im Radio-Dreyeckland-Verfahren vor dem Landgericht Karlsruhe ging es um die Frage, ob zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch eine verbotene „Vereinigung“ linksunten.indymedia bestand, die unterstützt hätte werden können. Nach der ausführlichen Vernehmung von drei Polizeizeugen am 24.04.24 ist klar: Dafür spricht wenig bis gar nichts.

Der erste Zeuge war derjenige Beamte beim LKA Baden-Württemberg, der für nahezu alle Verfahren mit möglichem linksunten-Bezug zuständig war. Seine Zusammenfassung der seit dem Verbot begonnenen Ermittlungen ergab: Hinweise auf eine aktive Fortführung des „Vereins“ gibt es nicht. Die Rote Hilfe Kiel habe ein ähnliches Logo in anderer Farbe auf einem Flyer verwendet und es habe vereinzelte Aufrufe zur Erstellung eines Archivs der verbotenen Plattform gegeben. Viel brisanter wurde es nicht. Auf Nachfrage von Verteidigerin Furmaniak fasste der Polizist die Bilanz so zusammen: Es habe unterschiedliche Verfahren aber weder Erkenntnisse noch Ergebnisse gegeben.

Der zweite Zeuge führt beim LKA die neu aufgerollten Ermittlungen wegen Fortführung einer verbotenen Vereinigung gegen diejenigen Personen aus Freiburg, denen damals die Verbotsverfügung für den „Verein“ linksunten.indymedia zugestellt worden war (gemeinsam mit der Durchsuchung ihrer Privaträume). Auch die Befragung dieses Zeugen förderte keine Hinweise auf eine Fortexistenz des „Vereins“ hinter linksunten zutage. Denn sein Bericht fiel kurz aus: Die Auswertung (auch der leeren und ungenutzten!) digitalen Geräte, die bei den Beschuldigten im Rahmen einer neuerlichen Durchsuchung im August 2023 beschlagnahmt worden waren, dauere noch an. Es gebe noch gar keine Erkenntnisse.

Stattdessen ging es dann um die Frage, wieso StA Karlsruhe und Polizei die fünf Personen mit erneuter Repression überziehen. Schließlich hatte dieselbe Staatsanwaltschaft 2023 ein Verfahren wegen der möglichen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) eingestellt. Genau hierüber hatte der angeklagte rdl-Redakteur in seinem Artikel berichtet. Der für das Verfahren verantwortlich Polizist gab zu, nichts von dem jüngst eingestellten Verfahren gegen dieselben fünf Personen, gegen die er aktuell ermittelt, gewusst zu haben. Auch der federführende Staatsanwalt Graulich räumte ein, dass seit 2020 keine neuen Hinweise für irgendeine Form von Fortexistenz hinzugekommen seien.

Wieso aber muten Staatsanwaltschaft und Polizei den Betroffenen dann erneute die Belastungen eines Strafverfahrens zu? Verteidigerin Furmaniak hatte einen Verdacht: Im Verfahren gegen ihren Mandanten sei der Staatsanwaltschaft irgendwann aufgefallen, dass zum Unterstützen einer verbotenen Vereinigung ja auch eine (existierende) verbotene Vereinigung vorliegen müsse. Statt das Verfahren gegen den rdl-Redakteur wegen einer journalistischen Meldung einzustellen, entschied sich die Staatsanwaltschaft für den Weg der größtmöglichen Repression und versuchte mit aller Gewalt das Fortbestehen eines „Vereins“ linksunten zu beweisen, indem es bei „den üblichen Verdächtigen“ durchsuchte. Die verheerende Bilanz: Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen in den Privatwohnungen von insgesamt sieben Menschen und bei einem unabhängigen Radio und keinerlei Beweise für irgendeinen der Tatvorwürfe.

Auch der vorsitzende Richter machte seinen Unmut darüber deutlich, dass die StA sich nach dem gut begründeten Ablehnungsbeschluss des Landgerichts nicht zunächst auf die Ermittlung des Merkmals „verbotene Vereinigung“ konzentriert habe. Statt den Beschuldigten in Ruhe zu lassen und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erneute anzuklagen, habe man Beschwerde zum OLG Stuttgart erhoben. Dieses goss mit seinen Beschlüssen zusätzlich Benzin ins Feuer: Ohne irgendwelche tatsächlichen Hinweise nahm das OLG an, es sei „überwiegend wahrscheinlich“, dass die Vereinigung fortbestehe. Es gäbe keine Gründe für die Annahme einer Auflösung. Es gäbe schließlich keinen Erfahrungssatz, dass sich Vereinigungen an ihr Verbot hielten. Das OLG nähert sich dabei gefährlich an eine Beweislastumkehr im Strafverfahren, in dem alle Voraussetzungen besonders gründlich nachgewiesen werden müssen und im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden ist. Außerdem verkennt es damit, dass tatsächlich vieles für eine Auflösung des „Vereins“ linksunten spricht:

Obwohl Innenminister De Maizière schon bei der Verkündung des Verbots aufgrund der Lage der Server in Kanada mögliche Probleme beim Vollzug des Verbots eingeräumt hatte, war die Seite von linksunten.indymedia ab dem Tag der Verbotsverfügung nicht mehr erreichbar. Das Gericht versuchte zu klären, wer genau die Website vom Netz genommen hatte. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft haben jemals einen Vermerk verfasst, der dokumentiert, linksunten abgeschaltet zu haben. Der anwesende IT-Sachverständige verwies auf die Fehlermeldung, welche angezeigt worden sei, wenn man linksunten unmittelbar nach dem Verbot gesucht habe: Der Text „Wir sind offline.“ und ein Bild der Schauspielerin Streisand, welches auf den gleichnamigen Effekt anspielt, sprechen dafür, dass die Betreiber von linksunten selbst offline genommen haben. Dass die Adressaten der Verbotsverfügung im Anschluss rechtliches Gehör beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesverfassungsgericht gesucht haben, lässt Sie in einem rechtstreueren Licht erscheinen als eine Staatsanwaltschaft, die auch ohne Anfangsverdacht wahllos Durchsuchungen anordnet. Dass das OLG Stuttgart den Betroffenen dann auch noch aus der Tatsache, dass Sie gemeinsam geklagt haben, einen Strick drehen will, indem es das als Indiz für das Fortbestehen der verbotenen „Vereinigung“ nimmt, ist rechtsstaatlich extrem besorgniserregend.

Am Nachmittag wurde dann ein letzter Zeuge befragt, um irgendwelche Hinweise auf die mögliche Fortexistenz von „linksunten“ zu finden: Der Freiburger Staatsschutz-Polizist Kurz schilderte zunächst seine Rolle im Verfahren gegen den rdl-Redakteur. Er habe das Verfahren angestoßen und bei der Staatsanwaltschaft nach Rücksprache mit Staatsanwaltschaft Graulich Strafanzeige gestellt. Dass es dann deswegen Durchsuchungen gegeben habe, habe ihn „ehrlich überrascht“. Im Anschluss wurde er zu den Inhalten der Website befragt: Es habe täglich mehrere Dutzende neue Artikel gegeben. Im niedrigen strafrechtlichen Bereich relevant sei nur ein geringer Bruchteil gewesen. Er könne sich an kein einziges Delikt erinnern, bei dem er wegen der Schwere von Amts wegen hätte ermitteln müssen. Die wenigen erfolglosen Verfahren seien hauptsächlich durch Strafanträge aus dem Burschenschafts-Milieu wegen Beleidigung ausgelöst worden.

Der Vorsitzende wollte Kurz dann zur „alten Vereinigung“ befragen, um im Anschluss herauszufinden, ob diese möglicherweise (teil)identisch fortbestehe. Doch Kurz antwortete mit dem bemerkenswerten Satz (sinngemäß): „Linksunten war ja kein Verein, das kam erst später mit der Verbotsverfügung.“ Er wisse von ein paar Gründungstreffen aber linksunten sei von ihm niemals als Gebilde beobachtet worden. Bis 2023 seien ihm die Namen der fünf Adressaten der Verbotsverfügung mit einer Ausnahme unbekannt gewesen. Außer dem Upload der Archivseite habe er auch keinerlei Erkenntnisse zu einer möglichen weiteren Betätigung. Es gebe keine weiteren Anhaltspunkte für eine Fortexistenz, auch nicht im Internet. Er halte es für „durchaus realistisch“, dass das Archiv von jemand Drittem hochgeladen worden sei. Er gehe aufgrund des in der Szene üblichen Antikapitalismus (anders als das OLG) nicht davon aus, dass der Betrieb der Website relevante Kosten verursache. Den Hinweis des Vorsitzenden, bei der nächsten Durchsuchung weniger Fotos anzufertigen, nahm er auf und notierte sich das entsprechende Urteil des OLG Celle.

Das Landes- und Bundesamt für Verfassungsschutz, sowie das Landes- und Bundesinnenministerium wurden zu ihren Erkenntnissen über die mögliche Fortbestehung nach der Verbotsverfügung von linksunten.indymedia und zu Erkenntnissen über die Archivseite und deren Betreibern angefragt. Kurioserweise wartet das Landgericht noch bis heute auf eine Antwort vom Bundesinnenminisiterium, doch auch die Erkenntnisse der anderen Behörden waren sehr überschaubar. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verwies lediglich auf die öffentlich verfügbaren Informationen der jährlichen Verfassungsschutzberichte. Außer der Kenntnis des statischen Archivs lägen keine weiteren Erkenntnisse vor, weshalb sich der Aufwand, einen Zeugen zum Gericht zu schicken, nicht lohnen würde – ähnlich die Antwort der anderen Behörden.

Während vor dem heutigen Verhandlungstag noch offen war, ob möglicherweise Informationen über Aktivitäten der “Vereinigung” verschwiegen wurden, verdeutlichen die umfassende, aber magere Beweisaufnahme und die Tatsache, dass mangels Erkenntnisse nicht einmal Zeug*innen der Verfassungsschutzämter vor Gericht befragt wurden einmal mehr: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels gab es jedenfalls keinen aktiven Verein „linksunten.indymedia“. Die Staatsanwaltschaft hatte es dem Redakteur in Meinungsfreiheits-verkennender Weise als Sympathiebekundung ausgelegt, dass er in seinem Artikel durch das Adjektiv „konstruiert“ angedeutet hatte: Linksunten.indymedia ist erst von den staatlichen Behörden von einem linken Medienprojekt zu einem „Verein“ gemacht worden, um es besser verbieten zu können. Seit dem dritten Verhandlungstag ist klar: Staatsschutzermittler Kurz sieht das genauso.

Prozessbericht Tag 1

Am 18.04.24 hat vor dem Landgericht Karlsruhe der Strafprozess gegen einen Radio Dreyeckland-Redakteur begonnen. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Karlsruhe wirft ihm vor, durch das Verlinken des Archivs der linken Medienplattform linksunten.indymedia.org in einem Online-Artikel eine verbotene Vereinigung unterstützt zu haben und sich dadurch nach § 85 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Strafgesetzbuch strafbar gemacht zu haben. Etwa 30 Unterstützer:innen begleiteten den Prozess solidarisch im Gerichtssaal, während vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung stattfand, die das Geschehen vor Gericht der Öffentlichkeit näher brachte.

Nachdem der Vorsitzende Richter Heim die Verhandlung, welche wegen des Besucherandrangs im großen Schwurgerichtssaal des LG Karlsruhe stattfand, eröffnet hatte und der für seinen Verfolgungseifer gegenüber Linken bekannte Staatsanwalt Graulich die Anklage verlesen hatte, nutzte Rechtsanwältin Angela Furmaniak, die Verteidigerin des rdl-Redakteurs, ihr Opening-Statement nach § 243 Abs. 5 S. 3 Strafprozessordnung dazu, die besondere Bedeutung der Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz) für die rechtliche Bewertung des Falls herauszuarbeiten. Diese sei keine Selbstverständlichkeit, sondern müsse immer wieder erkämpft werden. Strafverfolgungsbehörden müssten Kritik aushalten und bei ihrer Arbeit das “besondere Schutzbedürfnis der Machtkritik” berücksichtigen. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft und die Entscheidung über die Eröffnung des Prozesses im rdl-Verfahren bezeichnete sie zurecht als Tiefpunkt der baden-württembergischen Justiz.

Die große Aufmerksamkeit, die der Fall in Presse und Zivilgesellschaft erregt hatte war an dem vorsitzenden Richter nicht vorbeigegangen. Zum Publikum im Saal merkte er an, wen Wetter und Verkehrsbedingungen nicht von der Anreise abhielten, der müsse in der Tat ein gewisses Interesse haben; und auch die Korrektur eines inhaltlichen Fehlers, der sich in der Berichterstattung im Vorfeld eingeschlichen hatte (mit einer möglichen Revision des Verfahrens würde sich nicht das OLG Stuttgart, sondern der Staatsschutzsenat des Bundesgerichtshofs befassen) ließ er sich nicht nehmen. Demnach war die Kammer des Landgerichts erfreulicherweise bemüht das komplizierte Verfahren möglichst niedrigschwellig und verständlich aufzubereiten. Der Vorsitzende hatte sogar Powerpoint-Folien vorbereitet, mit deren Hilfe er erklärte, auf welche Fragen es maßgeblich ankommt: Existierte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels eine verbotene Vereinigung “linksunten.indymedia”? Kann die Verlinkung des Archivs unter Berücksichtigung der Pressefreiheit als strafbare Unterstützungshandlung angesehen werden?

Beide Fragen hatte die Kammer des LG Karlsruhe in einem 40-seitigen Nichtannahmebschluss vom 16.05.2023 verneint und ausführlich begründet, somit sei kein hinreichender Tatverdacht gegeben und das Verfahren einzustellen. Allerdings hatte das Oberlandesgericht Stuttgart einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft stattgegeben und das Landgericht mit Beschluss vom 12.06.2023 zur Eröffnung des Verfahrens gezwungen.

Es war daher wenig verwunderlich, dass nicht nur zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, sondern auch zwischen Staatsanwaltschaft und Richterbank erhebliche Differenzen über die Reichweite und Bedeutung der Pressefreiheit zu Tage kamen. Besonders deutlich wurde das bei der Vernehmung des Letzten der drei Polizeizeugen, der am 17.01.2023, die Privatwohnung des rdl-Redakteurs durchsucht hatte. Der vorsitzende Richter kritisierte, dass obwohl der Journalist laut Protokoll fünf Minuten nachdem die Polizei bei ihm auf der Matte stand gestanden hatte, den Artikel verfasst zu haben, nicht nur ein Laptop sondern auch Handys beschlagnahmt worden waren und außerdem unverhältnismäßig viele Fotos mit keinem bis geringem Beweiswert von den Privaträumen des Redakteurs angefertigt wurden. Die Antwort des Beamten, er habe versucht einen Gesamteindruck von der Wohnung zu dokumentieren, um vom Zustand der Aufgeräumtheit Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Redakteurs zu ziehen, ließen weder die Verteidigung noch das Gericht durchgehen. Staatsanwalt Graulich verstieg sich hingegen zu schiefen RAF-Vergleichen und hielt die staatlichen Maßnahmen “am Tatmorgen” (Freud’scher Versprecher?) weiterhin für rechtmäßig. Das OLG Stuttgart sei der selben Meinung. Der Vorsitzende wies zurecht darauf hin, das Oberlandesgericht habe in seinem Beschluss vom 07.11.2023 lediglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Durchsuchung, nicht aber deren konkrete Durchführung gebilligt.

Weniger kontrovers, aber ebenfalls kurios waren die Ausführungen des Beamten, es sei auffällig gewesen, dass der vorher “redselige” Beschuldigte nach einem Gespräch mit seiner Strafverteidigerin plötzlich gar keine Angaben mehr habe machen wollen. Verteidigerin Furmaniak ließ es sich nicht nehmen, dem Vertreter der Staatsgewalt eine kleine Nachhilfestunde in Strafprozessrecht zu geben und auf ihre Rolle im Strafverfahren – die Wahrung der Rechte ihres Mandanten, was klassischerweise zunächst durch umfangreiche Aussageverweigerung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden erreicht werden kann – hinzuweisen.

Die Kontroverse dürfte nicht die letzte gewesen sein, denn es sind noch mindestens vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Am 23.04.24 sollen Feststellungen zur verlinkten Archivseite getroffen werden, bevor am 24.04.24 der Frage auf den Grund gegangen werden soll, ob es überhaupt (noch) einen Verein “linksunten.indymedia” gab, der unterstützt werden hätte können. Am 29.04.24 soll ein IT-Sachverständiger gehört werden und am 30.04 könnten möglicherweise schon Abschlussplädoyers gehalten werden. Soliwelle Dreyeckland wird den Prozess kritisch weiterverfolgen und auf diesem Blog über die einzelnen Verhandlungstage berichten.

Am Donnerstag den 18. April 2024 startet der Prozess gegen einen Redakteur von Radio Dreyeckland am Landgericht in Karlsruhe

Die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft Karlsruhe wirft ihm Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vor. Der Redakteur hatte  über ein eingestelltes Verfahren nach §129 berichtet, welches im Nachgang des Verbotes der Openposting-Plattform linksunten.indymedia eingeleitet wurde. In der RDL-Meldung zur Einstellung dieses Verfahrens wurde ein Link zum Archiv von linksunten.indymedia gesetzt, welches ihm nun als Unterstützung vorgeworfen wird.
Lassen wir den betroffenen Redakteur nicht alleine und zeigen der Staatsschutz-Staatsanwaltschaft das wir nichts von dieser absurden Verfolgung kritischer Stimmen halten.
Deswegen kommt alle zur solidarischen Prozessbegleitung nach Karlsruhe. Es wird vor dem Landgericht eine Kundgebung geben und es besteht auch die möglichkeit den Prozess solidarisch zu beobachten.

Die Pressefreiheit wurde von Linken in der Vergangenheit mühevoll erkämpft und musste immer wieder verteidigt werden. So auch heute! Spendet für die Verteidigung und begleitet mit uns den kommenden Prozess! Das Verfahren muss eingestellt werden! Die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft Karlsruhe gehört aufgelöst! Schluss mit der Kriminalisierung linker Aktivist:innen, Medien und Journalist:innen!

Ort: Landgericht Karlsruhe
Kundgebung: 09-16 Uhr
Prozessbegin: 09:30Uhr

Pressefreiheit verteidigen! Aufruf zur solidarischen Begleitung des Prozesses gegen einen angeklagten Radio Dreyeckland Redakteur.

Am 17. Januar 2023 kam es zu zwei Hausdurchsuchungen bei linken Journalisten, sowie zu einer Durchsuchung der Räumlichkeiten des freien Radios „Radio Dreyeckland” (RDL) in Freiburg. Hintergrund waren Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Unterstützung der verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ nach § 85 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB).

Diese Unterstützung soll in Form einer kurzen Meldung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung im Fall „linksunten.indymedia“ erfolgt sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft aus Karlsruhe sieht in der von der Landesmedienbehörde nie beanstandeten Meldung die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Diese Unterstüzung soll insbesondere in der Verwendung eines via Suchmaschine auffindbaren (und von vielen anderen Medien ebenfalls verwendeten) Links zu einer Archivseite von “linksunten.indymedia“ liegen.

Im Rahmen der Durchsuchungen wurden mehrere Rechner von RDL-Redakteuren beschlagnahmt. Die Staatsantwaltschaft ging in ihrem Verfolgungseifer so weit, die Herausgabe aller IP-Adressen, die in der Zeit zuvor auf rdl.de zugegriffen hatten und die Anmeldedaten der Benutzer*innen der Seite vom RDL-Hoster zu fordern. Diese Maßnahmen sowie die Beschlagnahmen von Computern im Radio selbst und die damit einhergehende Ausforschung von 25 Jahren Radiokommunikation konnten zum Glück verhindert werden.

Während das Verfahren gegen den Geschäftsführer von RDL inzwischen eingestellt wurde, wird gegen den Verfasser des kriminalisierten Beitrags weiterhin ermittelt. Zwar lehnte das Landgericht Karlsruhe zwischenzeitlich eine Eröffnung des Hauptverfahrens ab, eine Kammer des Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ließ die Anklage jedoch wieder zu.

Dieser Beschluss des OLG Stuttgart diente der Staatsanwaltschaft aus Karlsruhe dann wiederum als Grundlage um Hausdurchsuchungen bei fünf Freiburger Linken wegen angeblicher Fortführung der verbotenen Vereinigung “linksunten.indymedia” durchführen zu lassen. Ihnen wird vorgeworfen, das Archiv der Internetplatform zu betreiben. Betroffen waren dieselben Menschen, gegen welche schon 2017 im Zusammenhang mit dem Verbot der linken Internetplatform “linksunten.indymedia” wegen Bildung einer krimineller Vereinigung (§ 129 StGB) ermittelt wurde. Das Verfahren gegen die betroffenen Linken wurde 2022 eingestellt, wobei die Meldung über diese Einstellung eben der Anlass für die RDL-Razzia war.

Die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft aus Karlsruhe und die Kammer des OLG Stuttgart wollen mit den Mitteln des Strafrechts entscheiden, wie die Berichterstattung über das Verbot einer linken Medienplattform auszusehen hat. Denn sowohl das Strafverfahren gegen den RDL-Journalisten, wie auch die erneuten Ermittlungen gegen die fünf Freiburger Linken sind klar politisch motiviert: Ziel ist eine Einschränkung der Pressefreiheit für Linke, die Ausforschung linker Strukturen und ihre Einschüchterung.

Dieser Angriff auf die Linke muss in Kontinuität zum Verbot der linken News- und Medienplattform “indymedia.linksunten” betrachtet werden, das selbst aus liberaler Perspektive fragwürdig ist. Schon damals wurde die Pressefreiheit für Linke außer Kraft gesetzt, indem das Verbot über den Umweg des Vereinsgesetzes erfolgte. Dies geschah in einer Situation in der das Bundesministerium des Inneren (BMI) unter Thomas de Maiziere (CDU) nach den teils militanten Protesten gegen den G20 Gipfel in Hamburg in Zugzwang geriet und es eine massive politische & mediale Kampagne gegen die radikale Linke gab.

Die aktuellen Angriffe im Zusammenhang mit “linksunten.indymedia” müssen nicht mehr durch das BMI geführt werden, da einzelne Freiburger Staatsschutzbeamte, die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft Karlsruhe und eine Kammer des Oberlandesgericht Stuttgart, die Agenda des Bundesministerium des Inneren dankbar fortführen. Insbesondere die Staatsanwaltschaft Karlsruhe fällt schon seit einigen Jahren mit einer extrem repressiven Gangart gegen Linke auf; durch z.B. vergleichsweise hohe Strafforderungen und der Verfolgung selbst kleinster Delikte im Zusammenhang mit linken Demonstrationen & Aktionen.

Die RDL-Razzia wirft zudem ein Schlaglicht auf einen weiteren Mosaikstein in der Verfolgung der Linken: Der sogenannte “Richtervorbehalt” ist nichts (mehr) wert. Es reicht die Aufzählung von vermuteten oder herbeikonstruierten Vergehen und manche Richter:innen unterschreiben jeden Durchsuchungsbefehl. Grundrechte wie die Pressefreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung scheinen – so es sich um “gefährliche Gruppen” (Linke, Drogennutzende, Fußballfans, etc.) handelt – nur der Bekämpfung ebendieser Gruppen im Wege zu stehen. So kann das Veröffentlichen einer Pressemeldung zu weitreichenden Maßnahmen wie Durchsuchungen von Redaktionsräumen, Privaträumen und Strafverfahren führen. Was sich hier in Ansätzen formiert ist der autoritäre Staat und dies, ohne dass die AfD schon in der Regierung sitzt.

Der Angriff auf RDL ist dabei nicht der einzige Fall von Einschränkung der Pressefreiheit für Linke: 2019 wurde der linke kurdische “Mesopotamienverlag” verboten, 2022 gab es Durchsuchungen & eine Beschlagnahme von Druckerpressen bei der anarchistischen Zeitschrift “Zündlumpen” und schon seit geraumer Zeit wird die kommunistischen Tageszeitung “Junge Welt” vom Inlandsgeheimdienst “Verfassungsschutz” ausspioniert und für ein Verbot der linken Internetplattform “de.indymedia” geworben.

Die Pressefreiheit wurde von der Linken in der Vergangenheit mühevoll erkämpft und musste immer wieder verteidigt werden. So auch heute! Lassen wir den angeklagten RDL-Redakteur mit der Repression nicht allein: Spendet für die Verteidigung und begleitet mit uns den kommenden Prozess! Das Verfahren muss eingestellt werden! Die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft Karlsruhe gehört aufgelöst! Schluss mit der Kriminalisierung linker Aktivist:innen, Medien und Journalist:innen!