Am 17. Januar 2023 kam es zu zwei Hausdurchsuchungen bei linken Journalisten, sowie zu einer Durchsuchung der Räumlichkeiten des freien Radios „Radio Dreyeckland” (RDL) in Freiburg. Hintergrund waren Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Unterstützung der verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ nach § 85 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB).
Diese Unterstützung soll in Form einer kurzen Meldung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung im Fall „linksunten.indymedia“ erfolgt sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft aus Karlsruhe sieht in der von der Landesmedienbehörde nie beanstandeten Meldung die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung. Diese Unterstüzung soll insbesondere in der Verwendung eines via Suchmaschine auffindbaren (und von vielen anderen Medien ebenfalls verwendeten) Links zu einer Archivseite von “linksunten.indymedia“ liegen.
Im Rahmen der Durchsuchungen wurden mehrere Rechner von RDL-Redakteuren beschlagnahmt. Die Staatsantwaltschaft ging in ihrem Verfolgungseifer so weit, die Herausgabe aller IP-Adressen, die in der Zeit zuvor auf rdl.de zugegriffen hatten und die Anmeldedaten der Benutzer*innen der Seite vom RDL-Hoster zu fordern. Diese Maßnahmen sowie die Beschlagnahmen von Computern im Radio selbst und die damit einhergehende Ausforschung von 25 Jahren Radiokommunikation konnten zum Glück verhindert werden.
Während das Verfahren gegen den Geschäftsführer von RDL inzwischen eingestellt wurde, wird gegen den Verfasser des kriminalisierten Beitrags weiterhin ermittelt. Zwar lehnte das Landgericht Karlsruhe zwischenzeitlich eine Eröffnung des Hauptverfahrens ab, eine Kammer des Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ließ die Anklage jedoch wieder zu.
Dieser Beschluss des OLG Stuttgart diente der Staatsanwaltschaft aus Karlsruhe dann wiederum als Grundlage um Hausdurchsuchungen bei fünf Freiburger Linken wegen angeblicher Fortführung der verbotenen Vereinigung “linksunten.indymedia” durchführen zu lassen. Ihnen wird vorgeworfen, das Archiv der Internetplatform zu betreiben. Betroffen waren dieselben Menschen, gegen welche schon 2017 im Zusammenhang mit dem Verbot der linken Internetplatform “linksunten.indymedia” wegen Bildung einer krimineller Vereinigung (§ 129 StGB) ermittelt wurde. Das Verfahren gegen die betroffenen Linken wurde 2022 eingestellt, wobei die Meldung über diese Einstellung eben der Anlass für die RDL-Razzia war.
Die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft aus Karlsruhe und die Kammer des OLG Stuttgart wollen mit den Mitteln des Strafrechts entscheiden, wie die Berichterstattung über das Verbot einer linken Medienplattform auszusehen hat. Denn sowohl das Strafverfahren gegen den RDL-Journalisten, wie auch die erneuten Ermittlungen gegen die fünf Freiburger Linken sind klar politisch motiviert: Ziel ist eine Einschränkung der Pressefreiheit für Linke, die Ausforschung linker Strukturen und ihre Einschüchterung.
Dieser Angriff auf die Linke muss in Kontinuität zum Verbot der linken News- und Medienplattform “indymedia.linksunten” betrachtet werden, das selbst aus liberaler Perspektive fragwürdig ist. Schon damals wurde die Pressefreiheit für Linke außer Kraft gesetzt, indem das Verbot über den Umweg des Vereinsgesetzes erfolgte. Dies geschah in einer Situation in der das Bundesministerium des Inneren (BMI) unter Thomas de Maiziere (CDU) nach den teils militanten Protesten gegen den G20 Gipfel in Hamburg in Zugzwang geriet und es eine massive politische & mediale Kampagne gegen die radikale Linke gab.
Die aktuellen Angriffe im Zusammenhang mit “linksunten.indymedia” müssen nicht mehr durch das BMI geführt werden, da einzelne Freiburger Staatsschutzbeamte, die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft Karlsruhe und eine Kammer des Oberlandesgericht Stuttgart, die Agenda des Bundesministerium des Inneren dankbar fortführen. Insbesondere die Staatsanwaltschaft Karlsruhe fällt schon seit einigen Jahren mit einer extrem repressiven Gangart gegen Linke auf; durch z.B. vergleichsweise hohe Strafforderungen und der Verfolgung selbst kleinster Delikte im Zusammenhang mit linken Demonstrationen & Aktionen.
Die RDL-Razzia wirft zudem ein Schlaglicht auf einen weiteren Mosaikstein in der Verfolgung der Linken: Der sogenannte “Richtervorbehalt” ist nichts (mehr) wert. Es reicht die Aufzählung von vermuteten oder herbeikonstruierten Vergehen und manche Richter:innen unterschreiben jeden Durchsuchungsbefehl. Grundrechte wie die Pressefreiheit oder die Unverletzlichkeit der Wohnung scheinen – so es sich um “gefährliche Gruppen” (Linke, Drogennutzende, Fußballfans, etc.) handelt – nur der Bekämpfung ebendieser Gruppen im Wege zu stehen. So kann das Veröffentlichen einer Pressemeldung zu weitreichenden Maßnahmen wie Durchsuchungen von Redaktionsräumen, Privaträumen und Strafverfahren führen. Was sich hier in Ansätzen formiert ist der autoritäre Staat und dies, ohne dass die AfD schon in der Regierung sitzt.
Der Angriff auf RDL ist dabei nicht der einzige Fall von Einschränkung der Pressefreiheit für Linke: 2019 wurde der linke kurdische “Mesopotamienverlag” verboten, 2022 gab es Durchsuchungen & eine Beschlagnahme von Druckerpressen bei der anarchistischen Zeitschrift “Zündlumpen” und schon seit geraumer Zeit wird die kommunistischen Tageszeitung “Junge Welt” vom Inlandsgeheimdienst “Verfassungsschutz” ausspioniert und für ein Verbot der linken Internetplattform “de.indymedia” geworben.
Die Pressefreiheit wurde von der Linken in der Vergangenheit mühevoll erkämpft und musste immer wieder verteidigt werden. So auch heute! Lassen wir den angeklagten RDL-Redakteur mit der Repression nicht allein: Spendet für die Verteidigung und begleitet mit uns den kommenden Prozess! Das Verfahren muss eingestellt werden! Die Staatsschutz-Staatsanwaltschaft Karlsruhe gehört aufgelöst! Schluss mit der Kriminalisierung linker Aktivist:innen, Medien und Journalist:innen!